Mit wie vielen Menschen hatten Sie schon Sex? Hinter dieser zunächst einmal harmlos wirkenden Frage verbirgt sich eine Mischung aus Neugier und Vorurteilen. Der Bodycount (also die Anzahl der bisherigen Sexpartner*innen) ist zu einem heißen Thema geworden, das in den sozialen Netzwerken diskutiert wird. Manche finden es lustig, andere verheimlichen es, und viele fragen sich, ob die Info wirklich wichtig ist. Was ist an dieser doch sehr intimen Information so interessant? Und was sagt der Bodycount überhaupt über uns aus?
Bevor wir ins Detail gehen, muss man sich vor Augen halten, worum es beim Bodycount überhaupt geht. Tatsächlich stecken hinter der Zahl vergangene Liebesgeschichten, lustvolle Erfahrungen und der Drang, alles quantifizieren zu wollen, auch das Sexleben.
Warum so viele Menschen vom Bodycount besessen sind
Der Begriff „Bodycount“ stammt ursprünglich aus dem Militärjargon (und bezeichnet die Anzahl der gefallenen Soldaten nach einem Kampf) und wurde später von der Popkultur, insbesondere in den sozialen Netzwerken, aufgegriffen. Heute nutzt man ihn, um auf eine sehr vereinfachende Art und Weise die sexuelle Vergangenheit einer Person zu bewerten und zu beziffern. Die Zahl soll die sexuellen Erfahrungen oder den „Wert“ einer Person widerspiegeln.
Diese Obsession für den Bodycount kommt nicht von ungefähr. Sie ist Teil eines kulturellen Erbes, in dem die weibliche Sexualität lange Zeit kontrolliert und verurteilt wurde, während die männliche Sexualität wertgeschätzt wurde. Mit anderen Worten: Der Bodycount ist nicht irgendeine Zahl, sondern ein Spiegelbild unserer Widersprüche zwischen der eingeforderten sexuellen Freiheit und der nach wie vor präsenten Moralvorstellungen in unserer Gesellschaft.
Der Bodycount als Indikator für unsere Beziehung zur Sexualität
Die Zahl, die beim Bodycount genannt wird, löst häufig wilde Vermutungen aus: Je mehr Partner*innen man hatte, desto erfahrener ist man. Je weniger Partner*innen man hatte, desto „seriöser” ist man. Diese Interpretationen sagen mehr über unsere Unsicherheit mit dem Umgang mit Sexualität aus als über die Realität.
Manche Menschen verbinden eine hohe Anzahl an Sexualpartner*innen mit Neugier, Entdeckerfreude und Selbstbewusstsein. Andere sehen darin ein Zeichen von Instabilität oder Unreife. Was natürlich alles nicht stimmt. Sexuelle Erfahrung lässt sich nicht an der Anzahl vergangener Sexpartner*innen messen. Tatsächlich geht es doch vielmehr darum, wie gut eine Beziehung ist, wie gut man sich aufeinander einlassen und sich miteinander vergnügen kann.
Männer vs Frauen: ungleiche Maßstäbe
Die Anzahl der bisherigen Sexpartner*innen ist auch deshalb ein sensibles Thema, weil es je nach Geschlecht ganz unterschiedlich wahrgenommen wird, was zum Beispiel das eigene Selbstvertrauen angeht oder die Angst, für seine sexuelle Vergangenheit verurteilt zu werden.
Bei vielen Männern weckt die Frage nach der Anzahl der bisherigen Sexpartner*innen ein starkes Konkurrenzdenken. Einige sehen in einem hohen Bodycount einen Nachweis dafür, dass sie ein sehr guter Liebhaber sind, andere hingegen empfinden eher Unsicherheit gegenüber Partner*innen, die als „erfahrener” gelten.
Bei Frauen ist das Verhältnis zum Bodycount oft intimer und mit der Angst verbunden, falsch wahrgenommen oder missverstanden zu werden. So fragen sich viele Frauen, ob sie mit ihrer sexuellen Vergangenheit von anderen eher verurteilt, eher ernst genommen oder eher begehrt werden.
Diese ganz unterschiedlichen Reaktionen zeigen, wie wichtig für uns nach wie vor die Wahrnehmung von außen ist. Solange die Gesellschaft weiterhin ein Schubladendenken bezüglich der sexuellen Vergangenheit pflegt, wird es schwierig bleiben, selbstbewusst zu den eigenen sexuellen Erfahrungen zu stehen.
Sollte der Bodycount eine Rolle in der Beziehung spielen?
Ein offenes Gespräch kann helfen, sich gegenseitig besser zu verstehen. Wenn das Thema auf die sexuelle Vergangenheit kommt, geht es auch um persönliche Erfahrungen, Grenzen und Wünsche. Wie das Gespräch erlebt wird, kommt natürlich immer auf den Kontext und die Reife aller Beteiligten an.
Die Frage nach dem Bodycount aus reiner Neugier oder zum Vergleich zu stellen, ist selten konstruktiv. Das weckt nur Unsicherheiten, ruft Unbehagen hervor oder führt zu unnötigen Verurteilungen.
Wer das Thema hingegen unter dem Gesichtspunkt von Vertrauen, gegenseitigem Respekt und offener Kommunikation anspricht, fördert dadurch womöglich die Nähe und Intimität in der Beziehung - vorausgesetzt, es geschieht wohlwollend und ohne Konkurrenzdenken.
Die Zahlen vergessen und sich auf das Wesentliche konzentrieren
Der Bodycount sagt nichts über den Wert einer Person oder die Qualität einer Beziehung aus. Die Zahl allein ist nicht aussagekräftig, wenn es darum geht, dass zwei Personen, die sich respektieren und begehren, eine einvernehmliche, vertrauensvolle Beziehung eingehen möchten.
Sich vom Bodycount zu lösen bedeutet, sich von unnötigem gesellschaftlichem Druck zu befreien. Wichtig ist nicht das Wieviel, sondern das Wie: Wie man seine Sexualität lebt, wie man auf seine Wünsche hört, wie man die Wünsche des anderen respektiert.
Lust ist keine Statistik. Sie ist eine intime, lebendige Erfahrung, die für jeden Menschen einzigartig ist.
Der Bodycount ist ein Trend, der aktuell sehr in Mode ist, aber dem nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden sollte. Was viele ausblenden: Hinter der Zahl stehen Geschichten, Begegnungen und Gefühle.
Anstatt zu zählen, ist es besser, zu lernen, zu fühlen, zu kommunizieren und sich selbst ohne Scham und Tabus zu entdecken. Anstatt Körper zu zählen, sollten wir sie feiern, denn sie verdienen es, respektiert, geliebt und begehrt zu werden.